Industrie 4.0
Der Begriff „Industrie 4.0“ wird oft gleichgesetzt mit der vierten industriellen Revolution und der intelligenten Fabrik. Er bezieht sich auf die digitale Vernetzung von Menschen, Maschinen und Abläufen in der industriellen Produktion einschließlich der Logistikketten. Ziel ist die autonome Serienfertigung von kundenindividuellen Produkten bis hinunter auf Losgröße 1, und das in höchster Qualität und zum Preis eines Massenprodukts.
Auf die Mechanisierung und Elektrifizierung in der ersten und zweiten Stufe der industriellen Revolution folgte Anfang der 1970er Jahre in der dritten die Automatisierung. Die vierte Stufe ist geprägt durch eine umfassende digitale Transformation der Prozesse und Geschäftsmodelle. Die Industrie verspricht sich von Digitalisierung der Wertschöpfungsketten erhebliche Rationalisierungseffekte − die Umsetzung des Transformationsprozesses stellt die Unternehmen aber auch vor große Herausforderungen.
Der Arbeitskreis Industrie 4.0 definiert Industrie 4.0 als eine Vernetzung von autonomen, sich situativ selbst steuernden, sich selbst konfigurierenden, wissensbasierten, sensorgestützten und räumlich verteilten Produktionsressourcen (Produktionsmaschinen, Roboter, Förder- und Lagersysteme, Betriebsmittel) inklusive deren Planungs- und Steuerungssysteme.1
Industrie 4.0 – ein Zukunftsprojekt
Industrie 4.0 steht für ein Zukunftsprojekt zur umfassenden Digitalisierung der industriellen Produktion, das von der Bundesregierung im Rahmen der Hightech-Strategie gefördert wird. Initiiert wurde es vom gleichnamigen Arbeitskreis der Forschungsunion, der 2013 zusammen mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatec) entsprechende Umsetzungsempfehlungen vorstellte.2 Im gleichen Jahr gründeten Bitkom, ZVEI und VDMA die Plattform Industrie 4.0, die 2015 um Akteure aus Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, Wissenschaften und Politik erweitert wurde. Sie soll vor allem den Mittelstand bei der Umsetzung von Industrie 4.0-Initiativen unterstützen und internationale Kooperationen in den Bereichen IT-Sicherheit und Standardisierung vorantreiben.3
Ähnliche Digitalisierungs-Initiativen gibt es inzwischen auch in anderen Ländern, wobei sie sich vom Fokus und von der Herangehensweise her unterscheiden. Während z.B. das Industrial Internet Consortium (IIC) in den USA vor allem von der Industrie getragen wird und sich sehr stark um praxisrelevante Themen wie die Standardisierung kümmert, ist Made in China 2025 ein strategischer Plan des chinesischen Staats, der sich an Industrie 4.0 anlehnt, aber von der Reichweite deutlich darüber hinausgeht. Strategisches Ziel ist die Transformation Chinas in die führende Industrie- und Hightech-Nation.4
Industrial Internet of Things als Grundlage für Industrie 4.0
Im Mittelpunkt von Industrie 4.0 steht das intelligente Produkt, das alle für die Produktion erforderlichen Informationen in sich trägt und dadurch in der Lage ist, mit Maschinen, aber auch mit den Planungssystemen zu kommunizieren und seine Produktion autonom zu steuern.5 Soweit die die Vision. Grundlage für ihre Umsetzung ist die Vernetzung aller erforderlichen Ressourcen über eine speziell auf die Anforderung der Fertigungsindustrie zugeschnittene Variante des IoT, das Industrial Internet of Things (IIoT). Beide Begriffe werden häufig synonym verwendet, obwohl Industrie 4.0 ein Konzept beschreibt und IIoT die dafür erforderliche Technologie.6
IoT und IIoT unterscheiden sich weniger in technologischer Hinsicht, als von der Zielgruppe (hier private, dort industrielle Anwender) und der Komplexität. Beide ermöglichen die Überwachung und Steuerung von Funktionen aus der Ferne, aber Industrie 4.0-Anwendungen stellen deutliche höhere Anforderungen hinsichtlich Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M), Steuerungs- und Automatisierungstechnik, Sensorik, Erfassung und Auswertung von Big Data in Echtzeit, Ausfallsicherheit und Cyber Security.7 Das IIoT ist nicht ohne Data Analytics darstellbar. Ein elementarer Baustein für Industrie 4.0-Anwendungen ist außerdem der Digital Twin, der es erlaubt, die autonome Produktion vorab zu simulieren.8
Herausforderungen für die Unternehmen
Auf dem Weg zu Industrie 4.0 müssen die Unternehmen zahlreiche Herausforderungen bewältigen, die nicht nur technischer Natur sind. Zunächst einmal geht es darum, sich strategisch zu positionieren und das Potential von Industrie 4.0 für ihre Organisation zu identifizieren. Gegebenenfalls müssen sie ihre bestehenden Geschäftsmodelle überdenken, was nicht nur auf die Produktion, sondern auch auf andere Wertschöpfungsketten erhebliche Auswirkungen hat. Dieser Transformationsprozess erfordert einen kulturellen Wandel in der Organisation und Mitarbeiter mit anderen Qualifikationen.9
In technischer Hinsicht gilt es, die Grundlagen für die Nutzung der Industrie-4.0-Potenziale zu schaffen. In einer Studie des BmWi10 wurde diese in fünf Schritten beschrieben. Das Prinzip dabei zieht sich einheitlich durch die einzelnen Schritte: Erst einmal müssen Daten vorhanden sein (beispielsweise durch eine Anbindung von Maschinen oder eine Integration von Systemen). Darauf aufsetzend können (und müssen) Unternehmen dann mit diesen Daten arbeiten um ihre Prozesse zu optimieren. Beispiele hierfür sind in einfacher Weise die datenbasierte Rüstzeitoptimierung oder komplexer mittels Data Analytics Technologien Anwendungen wie Predictive Maintenance.11
Zu den größten Herausforderung bei der Implementierung von Industrie-4.0-Anwendungen zählt die Integration in die bestehende Produktionsumgebung, die sich oft durch ältere Maschinenparks mit heterogenen Steuerungen und IT-Infrastrukturen mit geringen Bandbreiten auszeichnet. Das erschwert die Übertragung von Echtzeit-Informationen, die z.B. für die Qualitätssicherung relevant sind. Hinzu kommen fehlende Standards für die IT-Integration und die M2M-Kommunikation. Großen Hürden sind auch die Sorge der Unternehmen um die mangelnde Datensicherheit und die Gefahr von Cyber-Attacken, die die gesamte Produktion lahmlegen könnten.12
Industrie 4.0 als Wachstumsmotor
Industrie 4.0 verspricht dem BMWi zufolge bis 2020 ein zusätzliches Wachstum von 153 Milliarden Euro nur für den Standort Deutschland.13 Rund 40 Milliarden werden die deutschen Unternehmen jedes Jahr in Industrie 4.0-Anwendungen investieren, durch die sich bis 2025 Produktivitätszuwächse von bis zu 30 Prozent erzielen lassen. Damit leistet Industrie 4.0 einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Industrie 4.0 steigert aber nicht nur die Effizienz in der Produktion, sondern ermöglicht Produktinnovationen und neue datenbasierte Dienstleistungen, dadurch dass die smart vernetzten Objekte Unmengen an Daten über ihren Zustand zurückmelden. Das eröffnet den Unternehmen die Chance, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.